Liebeslieder, Glockenklänge und Sirenengeheul

Außergewöhnliches Programm mit außergewöhnlicher Besetzung: Bei einem Konzert in der Müllheimer Martinskirche trafen Klangwelten der Renaissance auf die der Moderne.

MÜLLHEIM Das international besetzte Quintett, bestehend aus der griechischen Sopranistin Eleni Lydia Stamellou, dem russischen Lautenisten Konstantin Shchenikow-Arkharow, dem französischen Cellisten Antoine Billet sowie der Pianistin Annette Stiller und der Geigerin Miriam Rudolph, beide Dozentinnen an der Städtischen Musikschule Müllheim, überraschte und begeisterte mit einer sehr speziellen Zusammenstellung aus Liedern der Renaissance und moderner Vokal- und Instrumentalmusik. Trotz der epochalen Zeitsprüngen zwischen den Darbietungen gelang es dem Ensemble, einen ganzheitlichen musikalischen Kosmos zu gestalten.

Dabei war die Vorbereitungszeit sehr eng gewesen, denn Shchenikow-Arkharow war nach einem wahren bürokratischen Hindernislauf erst wenige Tage vor der Veranstaltung aus St. Petersburg eingetroffen. Mit einem Zyklus von Renaissanceliedern zur Laute wurden die Hörer zunächst in die anmutige Klangwelt von Claudia Monteverdi, Barbara Strozzi und Jacopo Peri entführt. Eleni Lydia Stamellou erwies sich mit ihrem klaren Sopran und einem an Facetten schier unerschöpflichen Timbre als echte Offenbarung. Mit feinem Gespür lotete sie die heiteren und klagenden Texte der Liebeslieder aus, während Konstantin Shchenikow-Arkharow auf seiner Laute eine subtile Begleitung erklingen ließ.

Eine Rarität war der Vortrag von „L’ amante consolato“, eine Liedkomposition der venezianischen Sängerin Barbara Strozzi, denn die Erwähnung von Komponistinnen war im 17. Jahrhundert die Ausnahme. Dass Eleni Lydia Stamellou sich auch mit Bravour der Interpretation neuerer Lieder widmet, zeigte sich bei der Darbietung von Annette Stillers hochmoderner Komposition „Drei Lieder für Sopran, Violine, Cello, Laute und Gläser“. Die Stücke mit den Bezeichnungen „Rituale“ (Text: Christine Langer), „Die Abenteuer meiner Handschrift“ (Text: Christian Teissl) und „Macbeth“ (Text: Peter Huchel) verlangten von der Sopranistin ein tiefes Eintauchen in völlig gegensätzliche Gefühlswelten. Deren innerer Harmonie verlieh sie, manchmal mit exzessiven, schrillen Ausbrüchen, dann wieder mit geflüsterten Dissonanzen eine atemberaubende Kraft. Nicht weniger ausdrucksstark gestaltete sie die Lieder „Lösche das Licht“ von Felix Kroll, „Three Early Songs“ von George Crumb und „Zwei Gedichte“ von Wolfgang Rihm nach Texten von Marina Zwetajewa.

Diese modernen Lieder für Sopran und Klavier stellten einen waghalsigen „Ritt über den Bodensee“ für die Sängerin dar und forderten vom Publikum ein offenes Ohr für ungewöhnliche Klangelemente. Annette Stillers dreisätzige Klavierkomposition „Schemen“ nach Motiven von Hermann Kasacks 2023 erschienenem Roman „Die Stadt hinter dem Strom“ bot ein Musterbeispiel für atmosphärische Szenenwechsel: subtile, kaum hörbare Tonsequenzen, Glockenklänge, wie vom Wind aus weiter Ferne herbei geweht, gespenstischen Kontrastbilder. Auch die „Sacher-Variationen für Cello-Solo“ von Witold Lutoslawski, virtuos und mit einem Augenzwinkern gespielt von Antoine Billet, boten einiges an überraschenden Klangeffekten, inklusive Pochgeräuschen und Sirenengeheul.

Liebliche Kontraste dazu bot Konstantin Shchenikow-Arkharow mit zwei Eigenkompositionen, einer Hommage an die Renaissance-Komponisten Frescobaldi und einer Würdigung für dessen Zeitgenossen Robert de Visée in Form einer Passacaglia. Zum Finale erklangen zur Freude des Publikums noch einmal Lieder von Jacopo Peri und Claudio Monteverdi für Sopran und Laute. Langer Applaus beschloss dieses bemerkenswerte Konzert.